Käsebrotzeit in der Alten Sennerei in Bolsterlang in den Hörnerdörfern im Allgäu
©Tourismus Hörnerdörfer, F. Kjer
Eine glückliche Verkettung aus Heu, Kuh und Käse.

Milch ist Liebe.

Alte Sennerei Bolsterlang 

Im Gespräch mit Marion und Mathias Martin über alte und neue und über nachhaltige Alpwirtschaft.

Alpwirtschaft. Wo fängt sie an, wo führt sie hin, wo kommt sie her? Wie lebt man davon?
Als Allererstes muss man wissen: Alpwirtschaft ist keine Frage der Höhenmeter. Denn eine Landwirtschaft auf dem Berg gäbe es nicht ohne die Landwirtschaft im Tal. Schaut man sich in der Oberallgäuer Landschaft der Hörnerdörfer um, merkt auch der Laie schnell: Konventioneller Landwirtschaft, also Ackerbau und intensiver Weidewirtschaft, steht hier die Geologie im Weg. Zu viele Berge, zu viel Steigung, kleinräumige Areale, die zwar bebaut, aber niemals zeiteffizient mit großen Maschinen bearbeitet werden können.

Marion und Mathias Martin aus Bolsterlang sind trotzdem den Weg gegangen und haben ihren Betrieb auf Milchwirtschaft gestützt – allerdings auf Heumilch und auf den exzellenten Käse, den sie daraus produzieren.


Ihr macht nicht nur Käse, ihr „kocht“ auch für eure Kühe. Das gesamte Futter wird selbst angebaut – wie geht das?

Mathias: Wir bewirtschaften für unsere Kühe etwa 19 Hektar. Das fressen sie direkt auf der Weide oder bekommen es im Winter als Heu. Das ist es schon. Das reicht für 15 Milchkühe. Daraus können wir täglich rund 22 Kilo Käse machen.

Warum taugt Heumilch so gut zum Käsen?

Mathias: Es ist halt gute Milch. Richtig alter Käse, also älter als 12 Monate, funktioniert sogar nur mit Heumilch. Nur aufgrund der erstklassigen Qualität der Heumilch kann man dann beim Käsen auf jegliche Zusatzstoffe und Konservierungsmittel verzichten. So sind der Käsevielfalt keine Grenzen gesetzt. Die „Grenzen“ werden bei der Gärung durch Propionsäure und Buttersäure gesetzt – die erste sorgt für Geschmack und große Löcher, die zweite versaut alles (Mathias lacht) – jedenfalls, wenn's zu viel wird. Füttert man Silofutter dazu, braucht die Milch später Zusätze, etwa Salpeter, damit der Käse gut altern kann.

Marion: Aber von der Milch in Deutschland sind nur ungefähr 0,2 Prozent Heumilch. Davon wird ja auch einiges einfach so getrunken oder zu Butter und Sahne verarbeitet. Echter Heumilchkäse ist also eher rar gesät. Was schade ist, denn so etwas Gutes sollten mehr Menschen mal probieren können. Aber in den Hörnerdörfern ist man mit den Sennalpen und den Sennereien ziemlich verwöhnt – da ist Heumilchkäse sogar eher der Standard.
 

Vieh, Laden, Käsen, Heu machen, drei Jungs, Vereinsengagement – die meisten Menschen wären mit einem Bruchteil der Aufgaben überfordert. Warum geht das bei euch? Euer Tag hat ja auch nicht mehr Stunden.

Marion lacht: Ja, manchmal hat er eher zu wenig Stunden…

Mathias: Und fertig ist man eigentlich nie, obwohl man mit den Tieren natürlich 365 Tage im Jahr Arbeit hat. Wir schauen aber, dass alles im Rahmen bleibt. Wir stehen hinter dem, was wir tun: Wir produzieren bewusst regional, in einer Kreislaufwirtschaft. Das ist ein guter Zweig der Landwirtschaft. Und wir pflegen mit unserer Landwirtschaft ja auch die Landschaft. Ohne Land- und Alpwirtschaft wäre hier alles zugewachsen.

Marion (zeigt auf die Aussicht vor dem Fenster): So viel Grün da draußen, so viele Wiesen und Licht – das ist nicht gottgeschaffen. Wenn man eine Weide nicht pflegt, nicht zwei bis drei Schnitte im Jahr macht, dann wird das im Handumdrehen dunkelster Wald!
 

Haslach-Hof, Marion Martin bei den Kälbern in Bolsterlang in den Hörnerdörfern im Allgäu
©Tourismus Hörnerdörfer, F. Kjer

Marion und Mathias haben viele Sommer als Sennfamilie auf der Sennalpe Ornach verbracht, aus Berg- und Heimatliebe. Aus Liebe zu ihren Kühen und zu gutem Käse, haben sie den Haslach-Hof übernommen und aufwendig zum Heumilchbetrieb umgebaut.

Nicht zuletzt als mikrobiologische Laborantin und Molkereifachmann sind sie qualitätsverliebt und wissen, dass eine durchgängige Qualitätskette in der Alpwirtschaft mindestens so wichtig ist, wie die Kühlkette bei der Rohmilch. Deshalb verbringen die horntragenden „Familienmitglieder“ alias Kühe den Sommer in einem neuen offenen Alpstall und auf den Weiden am anderen Ende des Ortes auf knapp 1000 Metern Höhe.Das „Hoibat“, die Heuernte für den Winter, wird rund um den Hof mit kleinen Maschinen und viel Rechen-Arbeit eingefahren.

Daneben gehört ihre Liebe einander und der Familie, der Musik und dem Skisport, dem Mundarttheater und der Alten Sennerei in Bolsterlang. Dort kann man sich rund um die Uhr von der Liebe zu Qualität, Geschmack und guten Alpprodukten überzeugen, denn auch wenn der Laden geschlossen hat, der Automat steht parat. 

Regional einkaufen in der "Alten Sennerei Bolsterlang"
Marion Martin bei der Zubereitung der Brotzeit in der Alten Sennerei in Bolsterlang in den Hörnerdörfern im Allgäu
©Tourismus Hörnerdörfer, F. Kjer

Butter aufs Brot

Die Streichfähigkeit von Butter hängt von der Temperatur und dem Druck bei der Herstellung ab und wesentlich auch von der Zusammensetzung des Milchfetts. Mehr ungesättigte Fettsäuren im Fettanteil machen die Butter weicher. Deren Anteil erhöht sich, je mehr Grünfutter die Kühe fressen.

Bei deklarierter Heumilch wird komplett auf Silofutter verzichtet. Ungesättigte Fettsäuren, etwa Omega-3- oder Omega-6-Fettsäuren, sind, ähnlich den Vitaminen, essenzielle Nährstoffe: Der Mensch braucht sie zum Leben, kann sie aber nicht selbst herstellen, sondern nur über die Nahrung aufnehmen, zum Beispiel über Heumilchbutter.
 

Was ist das Besondere, das Herausfordernde an der Landwirtschaft im Allgäu, speziell in den Hörnerdörfern?

Mathias: Das ist hier kein Ackerland, es gibt fast keine geraden Felder, auf denen man mit großen Maschinen arbeiten kann, um mindestens 50 Kühe zu halten – wobei das dann auch mehr ein Nebenerwerb wäre. Weiter nördlich in Deutschland fangen Milchviehbetriebe ja meist bei 200 Kühen an. Dass man von der Landwirtschaft allein leben kann, ist hier auch unüblich. Ist man im Sommer auf der Alpe, hat man im Winter eh einen anderen Job, und die meisten haben einen Lehrberuf und die Landwirtschaft über BiLa-Kurse und Abendschule dazugelernt (Anm. d. Redaktion: Das Bildungsprogramm Landwirt, kurz BiLa, richtet sich an Menschen, die einen außerlandwirtschaftlichen Beruf erlernt haben (Martin ist gelernter Zimmerer) und ihren Betrieb im Nebenerwerb führen möchten, Voraussetzung sind vier Jahre Berufspraxis in der Landwirtschaft). Da hat sich eigentlich nicht viel verändert – auch nicht nach der Notwender-Zeit, also nachdem Carl Hirnbein Mitte des 19. Jahrhunderts im bettelarmen Allgäu die Milchwirtschaft einführte und die Leute mit Käse ein Zubrot verdienten. In Bolsterlang beispielsweise gab es nur zwei Bauern, die von ihrem Hof leben konnten.

Marion: Und auch als Nebenerwerb muss man natürlich seine Nische finden. Wir produzieren hochwertige Genussmittel, wir sorgen mit der „Alten Sennerei“ und unseren fleißigen Mitarbeitern und unserem Verkaufsautomaten selbst für den Vertrieb. Und man muss sich natürlich um die staatlichen Förderungen kümmern. Es gibt sehr gute Programme, durch die der Erhalt von Artenreichtum unterstützt wird. Dafür braucht es Bergbauern, aber ohne Subventionen würde sich niemand mehr trauen, Landwirtschaft wie hier zu betreiben. Und dann könnte man auch den Tourismus hier so nicht mehr anbieten.
 

Claudia Schmid auf dem Titeldbild des neuen Image-Magazins "G'schichten" der Hörnerdörfer
©Tourismus Hörnerdörfer, F. Kjer
Hörnerdörfer G'schichten nach Hause bestellen.

Hörnerdörfer Image-Magazine

Bestellen Sie sich die Prospekte / Image-MagazineHörnerdörfer G'schichten” zu Ihnen nach Hause. 

  • Im ersten Magazin “Handwerk” gibt es Einblick auf besondere Wanderziele, alte Traditionen, kunstreiches Handwerk und regionale Delikatessen.
  • Im zweiten Magazin “Genuss” drehen sich die Geschichten um Kulinarisches, um Regionales, um traditionsreiche Gastlichkeit und Naturverbundenheit – und im Grunde dreht sich alles um den Genuss.
zur Prospektbestellung
Das könnte Sie auch interessieren.

Weitere G'schichten zu Handwerk & Genuss