Das Holz und sein Meister.
Zwei Worte: „Handwerk“ und „Holz". Nicht aussprechbar, ohne Bilder zu erzeugen. Zunächst das eines Schreiners. Vielleicht das vom alten Gepetto, der an einer Marionette schnitzt, die so gerne ein kleiner Junge wäre. Womöglich das von Josef, dem Zimmermann – dem stillen Schutzheiligen mit Winkelmaß am Gürtel. Ziemlich sicher blitzt auch das Bild von Meister Eder auf, der in seiner Hinterhofwerkstatt mit bayerischer Gemütlichkeit zu Werkzeug oder Bierglas greift. Gern beschleicht einen bei Holz und Handwerk ein nostalgisches Gefühl, das nach alten Zeiten und Weltvergessenheit schmeckt. Bis man den Allgäu-Schreiner kennenlernt.
Die Pfeife.
Ein rot-rosa gestreiftes Hemd, Funktionsweste drüber und auf dem Kopf ein weicher Filzhut, der sich im Laufe der Zeit mit den braunen Locken arrangiert hat. Das ist er, der Allgäu-Schreiner. Er heißt Dietmar Martin. Zwischen Jackentasche, Hand und Mundwinkel wandert eine Pfeife – mit langgewohnten Bewegungen geklopft und gestopft, ist sie mal Zeigestab, mal Schläfenkratzer, meist Spielzeug für Hände, die nicht gut stillhalten können. Ab und zu nimmt Dietmar zwei, drei Züge, dann „schmeckt“ man den Rauch eines rassen, unfermentierten Krauts. Sowas raucht einer, der keine Umwege macht, aber auch keine Sperenzchen brauchen kann.
Die Form.
Dietmars erster Auftrag in der eigenen Werkstatt war eine Haustür – ein Treppenwitz, denn auch der Türen wegen, wagte er den Schritt in die Selbständigkeit. Bei seinem Ausbildungsbetrieb damals hat er wirklich viele Haustüren gebaut und seine Kreativität suchte irgendwann nach etwas ohne Klinke. Jetzt baut er Lieblingsstücke, denn Lieblingsstücke sind Erbstücke, sagt er schmunzelnd, „die will man weitergeben“.
Er mag Dinge, die bleiben. Für ihn hat sein Handwerk viel mit Massivholz zu tun. Gerade hat er eine Esszimmerbank in der Werkstatt. Eine Eckbank, die er vor 20 Jahren gebaut hat. Sie wird in der Länge angepasst, für eine neue Wohnung. Sie ist immer noch schön. „Klassische Formen verlieren halt nicht“ findet Dietmar „die bleiben schön.“ Aber sie müssen bestimmten Gesetzen gehorchen: „Ein Bogen braucht einen Gegenbogen“ gibt er als Beispiel und zeigt auf die geschwungenen Seiten des honigfarbenen Bauernmöbels. Das Holz ist ganz glatt dort, vielleicht weil viele Hände über die Jahrzehnte unwillkürlich dem Schwung gefolgt sind. Anderes muss sich verändern, damit es bleibt. Wie oft kommt heutzutage noch ein großer Holzrechen zum Einsatz? Die Technik, wie die massiven Zinken eingeschlagen werden, taugt aber auch für eine Garderobe, hat Dietmar überlegt. Eine Gastwirtschaft in den Hörnerdörfern profitiert jetzt von der stabilen Form, also kein Grund für Nostalgie. Auch Dietmar ist weder der letzte seiner Zunft, noch übt er ein vergessenes Handwerk aus. Aber sein Handwerk bewahrt Allgäuer Holz und Form vor dem Vergessen. Weil er seine Stücke liebenswert macht. Was geliebt wird, bleibt lebendig.
Der Macher.
Dietmar Martin wird Anfang der 70er geboren, hat Anfang der 90er den Meisterbrief fürs Schreiner - handwerk in der Tasche und Ende der 90er den Plan, eine eigene Werkstatt zu führen. Der Anfang war ein Kampf gibt er zu, „ein Existenzkampf“ aber er lacht da - bei, denn heute steht sie ja da: seine Werkstatt. Dazu fünf Mitarbeiter und Auftragsbücher, die voll und vor allem vielfältig sind. Erst kamen Aufträge in klein, dann mittel, dann groß. Ein Tisch, eine Küche, eine Hotelbar. Erst 100, dann 1.000 Taler, dann noch mehr, grob gerechnet. „Ab hier wird’s anders spannend“ fin - det Dietmar. Bei den Großaufträgen wächst mit dem Kundenwunsch die gestalterische Freiheit.
Der Anspruch bei einer Restaurierung: den ursprüng - lichen Zustand wiederherstellen. Das Gesamtkonzept für eine Gastwirtschaft entwickeln: eine kreative Spielwiese. Vielleicht hätte er es leichter haben kön - nen. Dietmar wurde eigentlich in die Landwirtschaft hineingeboren, hat früher die Sommer als Kleinhirt auf der Alpe verbracht. Das hätte genauso gut der Brotberuf werden können. Er macht die Arbeit ja gern. Stattdessen mühte er sich durch die harten An - fangsjahre in der Schreinerei und die Landwirtschaft wurde sein Nebenberuf. Und sein zweiter Meistertitel. Ein lapidares „ich lern halt gern“ und ein breites Grin - sen müssen als Erklärung genügen.