Hörnerdörfer Originale - Sophie Mische, Töpferin
©Tourismus Hörnerdörfer, F. Kjer
Keramikerin Sophie Mische macht aus Ton Kunstwerke. Solche, für jeden Tag.

Von Zauberhand.

Als Sophie aus ihrer Mittagspause zurückkommt, zeigt ein kleines Display an dem schlichten, edelstahlverkleideten Kasten von etwa eineinhalb Meter Seitenlänge 785 °C an. Die Hälfte der Magie, die Sophies Handwerk ausmacht, findet hier drin statt: im Brennofen. „Der heizt seit heute Morgen, am frühen Nachmittag ist es dann soweit“ erklärt sie. Sophie Mische ist Keramikerin, genauer Scheibentöpferin, und damit ihre Teller, Tassen, Schüsseln und Krüge lebensmittelecht und spülmaschinenfest werden, kommen sie ins Feuer. Nein, natürlich nicht in die offene Flamme, sondern in einen hocheffizienten elektrischen Brennofen.

„Soweit“ ist der nach etwa acht Stunden. Dann hat er 1230°C erreicht, hält die Temperatur fünf Minuten, bis die Glasur ausschmilzt und schaltet sich aus. Die andere Hälfte der Magie besteht aus Drehzahl, Kühen und Sophies Händen.

Vollzeit Heimatarbeit.

Eigentlich war für Sophie nur klar: „A Büromensch bin i it.“ Ein praktischer Beruf musste her, und zwar einer, in dem sich Kunst und Handwerk verbinden lassen. Auf die Töpferei ist sie dann schließlich über ein Praktikum gekommen, eines von vielen. Im Grunde hat sie sich ihr Handwerk genauso erarbeitet, wie sie jetzt in ihrem Handwerk die Stücke herstellt – probieren, genau hinschauen, auf’s Gefühl achten. Dann also Keramikerin. Der Werkstoff ist vielfältig, die Arbeiten auch. An der Scheibe drehen, Henkel und Griffe ansetzen, Glasieren, Malen, freie Formen gestalten, so gefällt ihr das. Auch, dass die Arbeitsschritte ihre Zeit haben. Weder lässt sich das Trocknen beschleunigen, noch kann der erste Brand, der zweite Brand, das langsame Auskühlen verkürzt werden. „Schnelle Aufträge“ gibt es bei handgemachter Keramik nicht – im besten Fall braucht ein neu gefertigtes Stück zwei Wochen. Aber es ist immer genug Auswahl da in der Tenne vom Busche Berta Bauernhaus, die sie als Verkaufsraum nutzt.

Die Kundschaft ist zur Hälfte hiesig, zur anderen sind es Gäste der Hörnerdörfer. „Das ist mir sehr wichtig“ sagt Sophie und damit meint sie nicht nur, eine gleichmäßige Auftragslage übers Jahr, sondern dass ihre Arbeit auch dort und von denen geschätzt wird, wo sie ihre Wurzeln hat. Es war reiner Zufall, dass das frisch sanierte Busche Berta Haus „Untermieter“ und sie selbst eine Werkstatt suchte, es war weise Voraussicht, dass der Bürgermeister von Ofterschwang hier eine ideale Kombination erkannte. „Do bin i so ning grütscht“ sagt Sophie. Das war vor gut fünf Jahren.

Gegensätze zieren den Tisch.

Eine Tonne Ton wandert pro Jahr durch Sophies Hände – manchmal muss sie noch eine halbe nachbestellen. Die klobigen Säcke à zehn Kilogramm verwandeln sich nach und nach in die feinen Teller und Schalen, die auf schlichten Brettern zum Trocknen aufgestellt sind. Etwa 40 Essteller dreht sie an einem Nachmittag, schätzt sie und ergänzt lachend: „Wenn i hocke blib“. Wenn sie nicht gestört wird, verschwindet folglich schon mal ein ganzer Sack Ton und taucht beispielsweise in handschmeichelnden Tassen wieder auf. Wie von Zauberhand, möchte man sagen, wenn man nicht wüsste, dass dieses Zauberkunststück ordentlich Geschick und Geduld erfordert.

Lässt man Brennofen, Drehscheibe und die Aufbereitungsmaschine, die sämtliche angetrockneten Reste wieder in verarbeitungsfähigen Ton verwandelt beiseite, die wirklich groß, heiß, schnell (so 250 Umdrehungen pro Minute auf der Scheibe) und sehr elektrisch sind, könnte man den Rest des Werkzeugs fast aus den heimischen Schubladen kramen. Ein Schneidedraht und eine Küchenwaage fürs Portionieren, eine geschwungene Holzschiene für die Formgebung, einen Meterstab, ein zerfasertes Naturschwämmchen zum Anfeuchten, der Spachtel zum "Abheben" der Stücke von der Töpferscheibe, Messer, Gabel und eine alte Lampenfassung - natürlich gibt es auch Lampenschirme speziell von der Töpferei Alpgfihl und die sollen später passgenau montierbar sein. Ganz zum Schluss drückt Sophie jedem Werkstück ihren Stempel ein. Wäre gar nicht nötig, man erkennt ihre Arbeit auf den ersten Blick. Aber der Stempel gehört zur Handwerksehre. Hübsch ist er auch.

Eine Welt aus Einzelstücken.

Sophie verziert ihre Keramik mit verschiedenen Dekoren: Berge und Kühe, Blumen, muhende Kühe, Edelweiß, springende Kühe – Wie viele Kühe sie schon in ihrem Leben gemalt hat? „Keine Ahnung, aber sehr viele. Sicher zu viele für einen Viehscheid!“ Ihre Töpferei heißt ja nicht zufällig „s’Alpgfihl“. Sie kommt immer wieder zurück auf die Allgäu-Motive und muss auch immer wieder hinaus zu ihnen. In die Berge, zu den Gipfelkreuzen, zu den Bergblumen und den Kühen, die sie malt.

Die Farben sind ihr Geheimrezept, sie mischt sie selbst. Fertige Farben seien zwar auch schön, aber oft nicht von ausreichender Qualität. Bei ihren Glasuren hat sie so lang experimentiert, bis Farbe, Oberfläche und Glanz ihren Ansprüchen genügten, jetzt arbeitet sie mit einem strahlenden Rosa, leuchtendem Himmelblau, sattem Grün und die Zeichnungen in Anthrazit geben Kontur, ohne hart zu wirken. Bei den Rezepturen geht es aufs Gramm genau und manchmal ist es dann doch wie verhext… So wie neulich, als im Ofen eine große Auftragsarbeit brannte – zig Geschirre in Sophies hellem Weidegrün waren bestellt. Als sie die Tür des Ofens öffnet, schauen ihr dunkle, bergwaldgrüne Teller und Tassen ins Gesicht. Da sei sie selbst erstmal ein wenig grün um die Nase geworden. Des Rätsels Lösung: Ein Lieferant hatte die Zusammensetzung seines Rohstoffs geringfügig geändert. Nicht ersichtlich, kaum der Rede wert, aber in Sophies Mixtur mit deutlicher Wirkung; doch das Dunkelgrün gefiel dem Kunden sehr, der Auftrag wurde abgenommen und die neue Farbe hat es sogar ins ständige Sortiment geschafft – am Ende ist die „s’Alpgfihl“-Keramik vielleicht keine Zauberei, aber immer zauberhaft. •

Das Busche Berta Bauernhaus.

Die Töpferei s’Alpgfihl hat ihren Platz in der Dorfmitte von Ofterschwang gefunden. Im Busche Berta Haus. Das Haus ist ein Glücksfall, denn der gut 200 Jahre alte Hof – ein typisches Allgäuer Gehöft und eines der ältesten in Ofterschwang – wurde nie „modernisiert“. Berta Busche, die letzte Eigentümerin, wohnte Jahrzehnte hier und veränderte: nichts. So blieb vieles erhalten, das zwar instandgesetzt, aber nicht erst mühsam freigelegt oder zurückgebaut werden musste. Nun erstrahlt es originalgetreu in neuem, also eigentlich altem, Glanz. Inklusive einiger ursprünglicher Gepflogenheiten. Mauern und Steinböden im Keller halten die Luftfeuchte bei etwa 90 Prozent, gute Bedingungen für Käselaibe und „g’selchte“ Schinken – auch früher wurde hier geräuchert und gelagert, allerdings vermutlich nicht in der Fülle und Auswahl wie heute. In die ehemalige Scheune ist zudem eine Brennerei eingezogen. Aus regionalem Obst entstehen in dem Kupferkessel einer Verschlussbrennanlage edle Brände und Gin. Das Busche Berta Haus ist von den Schindeln an der Fassade bis zu den Sparren im Dach ein Gesamtkunstwerk des Handwerks: Viele ansässige Betriebe haben sich beteiligt, viel lokales Wissen ist in die Wiederherstellung der Details eingeflossen. Gedacht ist das Busche Berta Haus aber nicht als Museum, sondern als ein lebendiges Kulturgut, in dem gelebt, gearbeitet und gefeiert wird.

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