Allgäu

Heimatkunde in der Kurve - Beschilderung Riedbergpass

Zwei Dutzend historische (Spitz-)Namen am Riedbergpass. Kleine Schilder erzählen davon, wie man früher über den Pass kam, wie die Landschaft aussah und genutzt wurde und wo der König vom Riedbergpass seine Hütte hat.

Veröffentlicht am 01.12.2022 - Text von Alexander Milz

Heimatkunde in der Kurve

Gewöhnlich sucht man das Erlebnis irgendwo zwischen Grasgehren, Balderschwang und dem Bregenzerwald. Die Passstraße fährt man, weil sie die schnellste und einfachste Verbindung aus den übrigen Hörnerdörfern zu den Wanderwegen, Pisten und Loipen im Hochtal ist. Seit kurzem ist der Weg über den Riedbergpass selbst ein Erlebnis, ein historisches. Kleine braun-weiße Schilder nennen die alten Flurnamen, Geländebezeichnungen und Wegmarken – Namen aus einer Zeit, als die Passüberquerung anstrengend, lang und oft genug gefährlich war.

Der Riedbergpass. Zufahrtsstraße – vielmehr Lebensader – ins Balderschwanger Tal.

Der Pass existiert bereits gut ein halbes Jahrhundert. Davor waren Balderschwang und die Obermaiselsteiner Alpen nur über den Alpstieg zu erreichen. Über den Alpstieg, ein Saumpfad, nur breit genug für ein Lasttier, wurde alles Nötige mit Ross und Schlitten gehievt. 2021 feierte man das 60jährige Bestehen des Riedbergpasses als motorisiert befahrbare Straße. Die Schilder halten die Historie des Passes für heutige Besucher und kommende Generationen sichtbar.

Bergauf in die Geschichte

Die Beschriftung der Schilder ist dem (historischen) Weg geschuldet.

"I de Sti" war das erste steile Stück an der Schönberger Ach.

"Am Hennebrunne" erreichte man einen kleinen Wassergraben. Hier befand sich ein Brünnlein, um die Pferde zu tränken. Aber so klein, dass es eher für ein paar Hennen geeignet gewesen wäre.

Weiter oben gelangte man dann an die Fläche "Im ündre Hoibat" – hier wurde Heu geerntet.

Und aus einer Baumgruppe, bei der einst eine Gedenktafel stand, wurde das "Täfelesholz".

Weiter verlief der Alpweg an eine Felsnase entlang auf dem Grund der Familie Schmideler – der Einfachheit halber als "Schmidelers Näs" bezeichnet.

Im mittleren Teil des Riedbergpasses finden sich immer wieder Gräben, in denen das Wasser in Richtung Schönberger Ach zusammenfließt.  Diese sogenannten Tobel trugen die Hausnamen der Grundstückseigentümer wie "Lixars Tobel", "Schmids Tobel" oder "Zille Tobel".

Beim Bau der Passstraße mussten über diese Tobel Brücken gebaut werden und nachdem der Bau der Brücke über Lixars Tobel mit Komplikationen verbunden war und sehr lange dauerte, erhielt diese Stelle den etwas zweifelhaften Titel "Ewigkeitsbruck".

Eine weitere Besonderheit war die gebogene Brücke auf Balderschwanger Seite, die in den Protokollen den Namen "krumm Bruck" erhielt.

Die größte Herausforderung war aber wohl die Verbindung an der Passhöhe über den großen Tobel. Am „Renkertobel“ ist jetzt eine schmucke Pausenstation mit Aussichtsplattform.

Im oberen Bereich des Passes wurden die Namen der dortigen Alpen verwendet, etwa "Beckebearg", "Lenzebearg", "i de Renk" – wo früher die Ränkalpen standen – der "Schingbearg" oder "im Hörnle".

Auf Balderschwanger Seite war eine markante Stelle der "dürre Bichl", ein immer sehr trockener Hang oder das "Roatmoos", eine dagegen immer feuchte Moosfläche namensgebend.

Auch heute noch bekannt sind die Namen auf der Talebene von Balderschwang wie "am Anger", der Weidefläche der Mittelalpe, am "Sägeba", an dem früher wohl eine kleine Säge stand und am "Schwobehof", dem heute so beliebten Wohnmobilstellplatz.

Eine 57 Jahre alte Idee

Die alten Namen jedermann sichtbar zu machen, geht auf einen Vorschlag des Oberforstmeisters Däumling zurück. Der hatte die Idee wohlgemerkt schon 1964. Er schlug vor, statt der Kilometersteine in den Serpentinen, Tafeln mit Geländebezeichnungen aufzustellen. Der Antrag wurde in der Sitzung des damaligen Alpwegverbandes erstmal zurückgestellt. Aus „erstmal“ wurden 57 Jahre, aber vergessen wurde es nicht. Heute machen 25 alte und zuweilen schelmische Namen den Weg über den Riedbergpass zu einer interessanten Exkursion in die Allgäuer Heimatgeschichte. 

Dem Vergessen entrissen wurden die alten Namen am Riedbergpass durch das Engagement von Alexander Milz aus Obermaiselstein. Er ist mit den Maiselsteinern Ortskundigen Adelinda Eberle und Konrad Jenn den Pass abgefahren und hat sich Stellen und Namen notiert. Er hat in Theo Schwärzler aus Balderschwang einen weiteren Kenner der Ortsgeschichte gefunden und so nach und nach einen Plan samt Liste der 23 besonderen Bezeichnungen erstellt.

Als Basis konnte er auch auf die Dokumentation über die Geschichte der Passstraße zurückgreifen. Dieses Archiv wiederum ist vor allem dem Vater von Adelinda Eberle geschuldet: Alois Dauser. Er war seinerzeit Bürgermeister von Obermaiselstein und Vorsitzender des Alpwegverbandes und hat sich maßgeblich für den Alpweg und später für den Bau des Passes stark gemacht.

Alexander Milz hat das archivarische Wissen und die Familienerinnerungen zusammengebracht. Seine Recherche fand Anklang im Landratsamt, Christoph Wipper, Leiter des Tiefbauamtes, hat sie sofort unterstützt.

Mittlerweile sind die Schilder montiert. Lang ist es her, seit der Idee vom Oberforstmeister Däumling. Es ist noch länger her, seit der Dauser Alois den Pass „auf den Weg“ brachte. Es ist gerade erst vor kurzem gewesen, dass man die Eberle Adelinda, geb. Dauser im gesegneten Alter von 90 Jahren begraben hat. Es wird wohl noch ein paar Jahre dauern, bis ihr Ur-Ur-Enkelchen, also der Ur-Ur-Ur-Enkel des Alois Dauser, das mit den Flurnamen versteht. Aber weil den Allgäuern ihre Heimat und die Menschen, die sie geprägt haben am Herzen liegen, wird die Zeit nie alt und die Geschichte bleibt jung. Weil man die Geschichten erinnert, weil man die Namen weitererzählt. Beispielsweise die, von den Wegmarken am Riedbergpass.

Das Geheimnis des 24. Namens

Wer sich nun aufmerksamen Blickes auf die Spur der Schilder macht, wird feststellen, dass ein Schild in der Liste fehlt. Das Doppeldutzend voll macht nämlich ein Name ganz am Anfang: „bm Schteddar“. Hinter dem „Schteddar“ verbirgt sich – gar nicht historisch, sondern quicklebendig - der Michel Stetter. Als langjähriger 2. Bürgermeister von Obermaiselstein und noch längerjähriger Kreisstraßenbetreuer des Oberallgäus, stellvertretender Betriebshofleiter der Straßenmeisterei Sonthofen, Schneeräumer, Instandsetzer und unermüdlicher Weg-Aufpasser hat er sich um den Pass verdient gemacht. So verdient, dass die Kollegen vom Landratsamt kurzerhand noch ein Schild montieren ließen – als Anerkennung und als Geschenk für seinen Ruhestand. Es steht dort, wo Michel Stetter am liebsten ist: In seiner Hütte beim Werkeln und Tüfteln, ganz nah an „seinem“ Pass. Und für alle, die es nicht wissen – auf dem Schild steht „bm Schteddar“, aber man liest es „König vom Riedbergpass“.

Die Reihenfolge der Beschilderung von Obermaiselstein kommend:

  1. I d Acha
  2. Am Täfelesholz
  3. Im ündre Hoibat
  4. Schmidelars Näs
  5. Hatte Heache
  6. Im Schwendle
  7. Lixars Tobel
  8. Schmids Tobel
  9. Beckebearg
  10. Lenzebearg
  11. Zille Tobel
  12. A de Renk – mit Aussichtsplattform und Christophorus Statue
  13. Passhöhe
  14. Schingbearg
  15. Am dürre Bichl
  16. Krumm Bruck
  17. Im Hörnle
  18. Roatmoos
  19. Im Stelzer Wold
  20. Am Anger
  21. Am Sägeba
  22. Alpe Gietle
  23. Am Schwobehof
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