Sennerin auf Zeit - Alpe Ornach Tag 6

Heute ist mein letzter Tag auf der Alpe Ornach und ich habe verschlafen.

Veröffentlicht am 22.06.2022 - Text von Stefanie Kiebler

Man sollte beim Wecker einfach die Schlummern-Taste drücken, anstatt den Wecker selbstbewusst um 4 Uhr morgens nach einem Mal klingeln auszuschalten. Deshalb stehe ich heute erst um 4:33 Uhr statt um Punkt halb bei Erwin in der Senn-Küche. Eines ist sicher: Den Wecker um 4 Uhr morgens werde ich nicht vermissen.

Der letzte Sonnenaufgang auf der Alpe Ornach für mich...
Der letzte Sonnenaufgang auf der Alpe Ornach für mich...

Bereits beim ersten Arbeitsschritt – dem Rahm abschöpfen – muss ich daran denken, dass es heute das letzte Mal so ist und noch viele letzte Male dazu kommen werden. Das letzte Mal mit Kilian die Kühe von der Weide holen, das letzte Mal Melken, das letzte Mal Erwin beim Käsen helfen, das letzte Mal Buttern und vor allem auch das letzte Mal gemeinsam Essen. Das ist wahrscheinlich fast das Traurigste.

Das letzte Mal Käsen...
Das letzte Mal Käsen...

Als wir die Kühe heute von der Weide holen, regnet es morgens zum ersten Mal. Und auch wenn ich gerne nochmal gesehen hätte wie die Sonne hinter den Bergen hervorkommt, ist es gar nicht schlecht an meinem letzten Tag einmal zu sehen, wie viel Spaß es macht die Kühe um 5 Uhr morgens bei Regen in den Stall zu treiben...

Das letzte Mal die Kühe bei Regen eintreiben...
Das letzte Mal die Kühe bei Regen eintreiben...

Da es mein letztes Mal im Stall ist, lässt mich Hirte Kilian nochmal bei fast allen Kühen zum Anmelken ran. Bei einigen scheitere ich allerdings auch an Tag 6 noch. Aber es ist bekanntlich noch kein Meister vom Himmel gefallen.

Das letzte Mal Stall...
Das letzte Mal Stall...

Ansonsten nimmt der Tag seinen – für mich inzwischen gewohnten – Lauf.
Nach dem Mittagessen gönne ich mir ein letztes Stück Käsekuchen und mache ich mich langsam dran meine sieben Sachen zusammenzupacken, die überall in der Alpe verstreut sind. Um 16 Uhr heißt es dann Abschied nehmen. So herzlich wie ich empfangen wurde, werde ich auch verabschiedet. Jeder nimmt sich Zeit, obwohl mehr als genug Arbeit ist.

Ob ich in so kurzer Zeit schon einmal so viel gelernt habe? Ich wüsste nicht wo. Käsen, Buttern, Melken, Unkraut zupfen, Zäune stecken, Kühe eintreiben, Allgäuer Kässpätzle machen und daneben noch so viele Dinge fürs Leben. Einfach eine unvergessliche Zeit, die mir Erwin, Kilian, Steffi, Eva & Lina hier beschert haben und ich werde sicherlich wieder kommen.

Das Traurigste war der Abschied...
v.l.n.r. Kilian, ich, Steffi, Erwin, Eva (Lina fehlt leider)
Das Traurigste war der Abschied... v.l.n.r. Kilian, ich, Steffi, Erwin, Eva (Lina fehlt leider)

Während ich jetzt hier in meinem Bett sitze mit einer Tafel Schokolade und den letzten Blogeintrag schreibe, denke ich darüber nach welche Erkenntnisse ich aus meinen sechs Tagen als Sennerin auf Zeit ziehen kann:

  1. Das Leben auf einer Senn-Alpe besteht aus verdammt viel und vor allem auch körperlich harter Arbeit. Statt einer 5-Tage-Woche ist es eine 7-Tage-Woche und statt 40 Wochenstunden sind es grob überschlagen ca. 80 Wochenstunden. Viel Freizeit bleibt da nicht gerade.
  2. Die viel zitierte Alpenromantik hat mit der Realität wenig zu tun. Ja, es gibt sie, die Alpenromantik. Um 5 Uhr morgens, wenn gerade die Sonne aufgeht und man zwischen Butterblumen und Wollgras die Kühe eintreibt, da ist sie für einen kleinen Moment da. Aber der restliche Tag ist so durchgetaktet, dass wenig Zeit für solche malerischen Ausblicke bleibt.
  3. Allgäuerisch ist eine eigene Sprache. So viele neue Wörter habe ich bei einer Reise innerhalb Bayerns wohl bisher kaum gelernt.
  4. Direkte Nachbarn wohnen hier über 2 km auseinander, kennen sich aber dennoch deutlich besser und helfen sich mehr als der Nachbarn in der Großstadt, der nur eine Tür weiter wohnt.
  5. Wenn einen die Leidenschaft für das Älperleben erst einmal gepackt hat, sind Punkt 1 & 2 nicht mehr so relevant.

Ich werde mich jetzt erst einmal ordentlich ausschlafen und mir einfach mal keinen Wecker für morgen stellen! :)

Jetzt Newsletter abonnieren

Erhalten Sie alle Highlights aus den Hörnerdörfern.